Ach ja, Sie gehören wahrscheinlich nicht zu den Leuten, mit denen ich normalerweise verkehre. Mein Name ist Hugo Baron von Lysenfurz, jawohl, Baron von, und ich bin aus der Branche. Hoch- und Tiefbau. Blaublut baut gut, mein Wahlspruch. Da habe ich zwischendurch tatsächlich mit ganz gewöhnlichen Arbeitern zu tun, arme Schweine. Was die, wie sagen die noch mal, ach ja… was die hackeln müssen, und dann verdienen sie nichts. Lächerlich. Naja, haben auch nichts gelernt. Egal, ich treffe die leider auch hier im Sattseestadion, aber gut, da sind die Klassen Gott-sei-Dank noch getrennt. Die darben auf den Stehplätzen, ich in meinem goldenen VIP-Sitz. Obwohl, manchmal echauffieren mich deren penetrante Sprechchöre exorbitant: „Sitzplatzschweine“ – was sich die erlauben. Impertinent! Wenn ich da einmal einen meiner Hackler dabei erwische, der wird sofort entlassen. So bleibt mir nur, indigniert am Sektglas zu nippen.
Natürlich, es wurde auch Fußball gespielt. 5:0 ging’s aus, nettes Resultat. Ich sprang jedes Mal bewusst vor Entzücken auf (alle machen das so im Stadion, müssen Sie wissen) und erhob meine Stimme: „Da capo, da capo! Belissimo!“ Tja, noblesse oblige. Aber irgendwie eine Frechheit, dass die Mannschaft immer dann ein Tor schoss, wenn ich beim Beluga nachfasste. Können die keine Rücksicht auf meine Vorliebe für Fischeier nehmen? Ich muss wohl mal mit dem Präsidenten reden, wie hieß er noch, achja: Wildgeist. Ein aufgeblasener Neureicher, und eingebildet, bloß weil er einen Royce mehr als ich fährt. Den hat er doch sicher aus veruntreuten Vereinsgeldern. Der weiß doch nicht einmal, wie sich sein Klub schreibt. Ich schon: Tittifun, oder so, Ehrensache.
Vielleicht kaufe ich mir auch einmal einen Fußballklub. Das macht mir keiner nach. Mir macht sowieso keiner was vor, ich versteh’ was von Fußball. Heute ist der Tormann sieben Mal im Abseits gestanden, Plumpser heißt er glaub ich, und der Schiedsrichter hat’s nicht gesehen. Aber was ist das schon für ein Richter, der nicht einmal auf Anwälte hört? Da kann ich mir meine fünf Anwälte in die Haare schmieren, wenn ich noch welche wachsen würden.
Naja, eigentlich ist Tittifun ja nur drittklassig, aber alle sagen, Hugo, wirst sehen, sie steigen auf. Drittklassigkeit ist normalerweise nicht mein Metier. Na, und ich möchte natürlich dabei sein, wenn der Verein avanciert. Sogar die Frau Bürgermeister war da, Küsschen hier, Küsschen dort, und nicht einmal den Lachs hat sie vorher hinunter geschluckt. Ich war pikiert, was für Manieren! Überhaupt ist Fußball hier bei den VIPs Krieg. Wer am Buffet zu spät kommt, dem bleibt vielleicht nur mehr ein ordinäres Carpaccio. Und das will doch keiner sein, ordinär und gewöhnlich. Ich bin’s jedenfalls nicht, und dessen bin ich mir bewusst. Aber im nächsten Spiel verlange ich, dass die Tore vor meinen Augen fallen. Schließlich muss man ja mitreden können, wenn man dabei sein will. Ich will, weil Teamchef en vogue ist – und was en vogue ist, kann man sich schließlich nicht aussuchen. Särvus!
[wg]
Anmerkung:
Ich habe meine Kollegen gefragt, ob diese Kolumne nochmals gebracht, auch interessant sein könnte. Einige kennen sie von Teamchef, andere haben vielleicht im anderen Forum nachgelesen. Also, wir bringen sie noch einmal – alle 2 Wochen – und am Ende wird es seltener gebrachte Teile geben, ich hoffe, dass jene, die diese ersten Teile schon gut kennen, sich auf die Teile ab Teil 8 freuen werden.
Die Glosse, im Jahr 2005 beim Teamchef-Express (in Verbindung mit "teamchef.at" zum ersten Mal erschienen, schrieb so etwas wie Zeitungsgeschichte bei Teamchef. Insgesamt wurden zwölf Episoden veröffentlicht. Die Person und Erlebnisse des Barons von Lysenfurz entwickelten sich und erlangten Kultstatus. Ich habe mir gedacht, die Episoden noch einmal als Blog aufzulegen: Für alle Nostalgiker und jene, die noch nicht das Vergnügen hatten, mit dem extravagant-arroganten, und doch irgendwie liebenswerten Teamchef-Adeligen Bekanntschaft zu machen. - Das sind, wie ich hoffe, hier im neuen Portal doch einige. Die folgende AUSGABE 1 von FÜR DEN HUGO ist ursprünglich am 7. November 2005 erschienen. Wenn das Wort "Teamchef" auch hin und wieder vorkommt: Hier sei statt "Teamchef" nun an "dbdt" gedacht - die nächste, bessere Generation.